Das Leben ist zu kurz
für eintönige Musik.

Platte der Woche

Coverbild: 
KW45 | 03.11. bis 09.11.2014

Gresta Riss

Artist: 
Freischwimma
Erschienen: 
09.10.2014
Label: 
monkey. / Rough Trade

Walter Gröbchen gesteht: ich bin schuld an dieser Platte. Man kann derlei ja für eine Schnapsidee halten, aber die Überlegung hinter der Veröffentlichung des vorliegenden Tonträgers - es handelt sich ganz absichtlich um eine streng limitierte, quasi handgeschnitzte Vinyl-Schallplatte plus CD („für die ängstlichen Hasen“, wie Ernst Molden zu sagen pflegt) - war und ist, Sie mit der Musik von Freischwimma bekannt zu machen. Mit der einzigartigen Lässigkeit dieser Band. Mit ihrem Humor, ihrer Dringlichkeit und ihrer schreiberischen und musikalischen Virtuosität. Keine Ahnung, ob das gelingt - aber wenn Sie bis jetzt dem Text gefolgt sind, spricht das für den Grundanstoß.

„Gresta Riss“ ist natürlich eine Art „Greatest Hits“-Kollektion. Da ich - vielleicht vollkommen zu unrecht - von einer Erstbegegnung mit den Herren Kargl, Würrer, Haslinger, Ledwinka und Lausch ausgehe, ist die Wucht einer geballten Ladung Freischwimma möglicherweise umwerfend. Aber so ist das nun mal, wenn man draufkommt, dass die besten Momente des historischen Austropop - die frühen Sachen von Ambros, Danzer, Hirsch oder Kurt Ostbahn - eventuell eine Fortsetzung in der Gegenwart finden. Eine stimmige, würdige, zeitgemäße Fortsetzung, wohlgemerkt. Denn Song-Kleinode wie „Postkreizung“, „De Ködn“ oder „Schweinsbrodn“ fallen nicht ab im Vergleich. Und umso mehr auf im Kontext der aktuellen (und nicht immer taxfrei zu goutierenden) Neo-Wienerlied-, Dialekt- und Volks-Rock’n’Roll-Manie. Freischwimma machen ihre Musik nicht aus Kalkül. Sondern aus, Prost!, Sturm und Drang. Und selbstverständlich ist es - Gott bewahre! - kein Austropop.

Die Ursuppe köchelte in der Provinz. Im Waldviertel, um genau zu sein. Freilich hat der Magnetismus der Metropole Wien die Partikel auf den Bändern und Computer-Tonspuren strikt nach vorn ausgerichtet. Vom ersten, noch leicht verhuschten Album „FS1“ anno 2011 über den forschen Nachfolger „Rostiga Nogl“ bis zum schon am Horizont sichtbaren Drittling („Wo liegt da Hund begrom“ und „Bessa waun Du gehst“ sind hier erstmals zu hörende Vorboten) kann man eine stringente Entwicklung der Band verfolgen. Mit der dräuenden Hammond-Orgel von Stefan Haslinger ist - zuvorderst auch live - eine mächtige Abrundung des Klangbilds gelungen. Rhythm’n’Blues rules OK. Freischwimma sind, abermals Prost!, eine wertkonservative Band. Ohne Frage. Traditionelle Instrumentierung, kein Einsatz von Sequencern und Vocodern (aber vielleicht kommt das noch), kaum eine Chance auf Airplay auf FM4 oder gar Ö3. Oder doch?

Denn meine Behauptung ist: diese Musik kann richtig populär werden. Weil sie mit dem Alltag und der Lebenswelt und dem kleinhäuslerischen K&K-Kosmos von Wien und Umgebung (und damit sind sowohl Bleiburg wie Bregenz gemeint und eventuell auch München, Bern und Berlin) ihr Spiel spielt. Kein hinterfotziges Spiel, beileibe nicht. Sondern ein bissl ein bissiges, aufmunterndes, liebevolles. „Wer sich darin nicht wiederfindet, dem ist nicht zu helfen“ stand irgendwo zu lesen über die Welt von Freischwimma.

Ach was: „Gresta Riss“ hilft gnadenlos weiter. Auch wenn es dieser konzentrierten Unterstützung beim Hören, Erkennen, Merken wohl bald nicht mehr bedarf.

Tracklisting:
01 Bessa Waun Du Gehst 02 Des Pock I Ned
03 Postkreizung
04 Rostiga Nogl
05 De Ködn
06 Du und I
07 Wo Liegt Da Hund Begrom 08 Marina
09 Johnny
10 Schweinsbrodn
11 Mann im Mond
12 Unter De Kastanienbam

Konzerttermine:
11.12.2014 - Cinezone, Krems (Duo, Damit de Engal daunzn)
17.12.2014 - Des Avalon, Wien (Duo, Damit de Engal daunzn)
21.12.2014 - Salon Ditta, NÖ (Duo, Damit de Engal daunzn)

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