Das Leben ist zu kurz
für eintönige Musik.

Platte der Woche

Coverbild: 
KW21 23.05. - 29.05.2016

Lunar Love

Artist: 
Mop Mop
Erschienen: 
05.05.2016
Label: 
Agogo Records/ Indigo

Sun Ra vertonte einst die „Love On A Far Away Planet“, und nun, rund 30 Jahre danach, fragen auch Mop Mop: „Space Will Be My Home?“ Der imaginäre Aufbruch ins All dient als Ausgangspunkt, als Fundament, von dem aus sich das Kollektiv um Mastermind Andrea Benini erneut in etliche Richtungen und unerwartete Klangregionen bewegt. Indem Mop Mop ihren Sound, in dem Dub - , Jazz - und Funk Elemente aufeinandertreffen, dieses Mal auch um traditionelle Gnawa-Rhythmen erweitern, klingt „Lunar Love“ noch facettenreicher und vielschichtiger als die Vorgängeralben: Sie haben die „Isle of Magic“ zwar verlassen, aber der Ort, den Mop Mop dieses Mal ansteuern, ist sogar noch magischer, noch exotischer...

Weit hinaus in die Tiefen des Raums, in andere Galaxien katapultieren Andrea Benini und Mop Mop die Zuhörer mit ihrem neuesten Trip: Was für andere Orte es da draußen gibt, die man unterwegs von der „Isle of Magic“ nach „Lunar Love“ ansteuern kann, das wusste bereits ein Sun Ra. Konkret führt Mop Mops Abstecher durchs All von einem geheimnisvollen, hell leuchtenden Stern namens „Adhara“ zur Mutter Erde: Sie sind die Außerirdischen von einem anderen Planeten, der unserem einst sehr ähnlich war, nun jedoch nicht mehr zu retten ist, weshalb sie nach einer neuen Bleibe im Universum suchen. Während sich Mop Mop unserem Orbit nähern, betrachten sie den blauen Planeten mit vollkommen anderen Augen: „Show me this place they call Earth and let me land this ship“, so die Worte von Gastsänger Anthony Joseph auf dem Track „Spaceship: Earth“, einem von insgesamt vier Stücken, bei denen er am Mikrofon zu hören ist.

Das Album beginnt mit den beruhigenden Klängen eines Hang, wenn Mop Mop mit dem Track „Alfa“ den ersten der vier musikalischen Sätze beginnen (entsprechend den vier Seiten der Doppel-LP-Variante): Die Reise (The Journey), das Erwachen (The Awakening), die Erfahrung (The Experience) und die Begegnung (Close Encounters). Das darauf folgende „Adhara“ klingt, als ob die „Sultans of Swing“ endlich ihr „Karmacoma“ gefunden haben: Es ist eine Abschiedsmelodie, die zugleich nach Entdeckergeist, nach Neugier klingt. Auch hört man sofort, dass dieser Planet „Adhara“ einst ein wunderschöner Ort gewesen sein muss. Doch nun ist die Zeit gekommen, ihn zu verlassen und einen Neuanfang irgendwo anders im All zu wagen – und so beginnt also die Reise im magischen Zeichen von „Lunar Love“. Unterwegs durch Raum und Zeit, entwickeln daraufhin Instrumental-Tracks wie „Habibi“ oder „Plato“ ihre ganz eigene Schwerkraft aus verschachtelten Rhythmen, während „Supreme“, eine wunderschöne Ballade mit viel Soul, und das abschließende, verträumte „Foreign Correspondent“ auf die Symbiose von Mensch und Außerirdischen hindeuten: Hier entwerfen Mop Mop ein Bild, wie dieses neue Leben, ein fürsorglicheres, bewussteres Miteinander aussehen könnte. Es ist die Antwort auf ihre Frage, die Ankunft nach einer langen Reise, ein gutes und friedliches Ende.

Auch für das Album „Lunar Love“ hat Andrea Benini mehr als zehn begnadete Musiker um sich versammelt, um gemeinsam mit ihnen seine Vision zu verwirklichen: Zentrale Mitstreiter sind Alex Trebo am Klavier, Pasquale Mirra an Vibrafon, Balafon und Marimba, Salvatore Lauriola am Bass (E- und Kontrabass) sowie Danilo Mineo, der die verschiedensten Percussion-Instrumente, u. a. Surdo, Udu, Conga und marokkanische Qarqaba beisteuerte, die Benini auf einem Großteil der Songs wie ein klassisches Schlagzeug-Set eingesetzt hat. Abgerundet mit Hang, ARP-Synthesizern, Moogs, Gitarren und etlichen anderen Instrumenten, entsteht ein dichter, vielschichtiger Klangteppich auf dem die Vokalgäste sich ausbreiten können: Der bereits erwähnte Poet und Musiker Anthony Joseph ist gleich auf vier Tracks zu hören; er ist der Erzähler, dessen Worte die Handlung vorantreiben und dabei perfekt den Tribal-Vibe aus Dub, Jazz und Funk ergänzen. Die Stimme von Wayne Snow macht „Supreme“ zu einem umwerfenden Liebeslied, und Annabel Ellis aus dem Ninja-Tune-Lager knüpft gesanglich an Satie und Debussy an, was „Foreign Correspondents“ in den perfekten Schlusspunkt des Longplayers verwandelt.

Aufgenommen wurde „Lunar Love“ in fünf Top-Studios in Berlin und Ravenna, wobei Benini & Co. größtenteils auf analoges Vintage-Equipment gesetzt haben – daher der satte, warme Sound, den man so nur auf analogen Tape-Mitschnitten erreicht. Es handelt sich bei „Lunar Love“ um das fünfte Studioalbum von Benini, der die Pole seiner Musik – von düster bis ausgelassen, von eingängigem Soul bis zu abstrakt-experimentellen Sounds – damit abermals neu definiert: Sein Background im afro-amerikanischen Jazz trifft auf Tribal-Beats und eine intergalaktische Storyline, die seine Songs zu einer Einheit zusammenschweißt. Folgen wir Mop Mop zu diesen „anderen Orten da draußen“...

„So take the dark away, leave me the day“ – Anthony Joseph

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