Das Leben ist zu kurz
für eintönige Musik.

Platte der Woche

Coverbild: 
KW13 27.03. - 02.04.2017

Country Hustle

Artist: 
Jeb Loy Nichols
Erschienen: 
16.03.2017
Label: 
City Country City / Indigo

chon seit geraumer Zeit als Geheimtipp gehandelt, der sich auf der Schnittstelle zwischen Country und Blues, Soul und Folk bewegt, veröffentlicht Jeb Loy Nichols sein neues Album „The Country Hustle“ am 17. März 2017 bei seinem eigenen Label City Country City/Indigo. Auf „The Country Hustle“ präsentiert der ewige Troubadour ein reichhaltiges, eklektisches Gemisch aus Southern Soul, Country, Blues, Funk und Folk, das er obendrein noch erweitert um eine Prise Hip-Hop, eine Spur Dub und Clubsounds aus den Achtzigern und Neunzigern. Obwohl seine Kompositionen ganz klar in der Vergangenheit verwurzelt sind, klingen die auf diesem Album versammelten Produktion dabei doch absolut zeitgenössisch. Zu den Albumgästen von „The Country Hustle“ zählen Andrew Hale (Sade), Distance und Nostalgia 77.

Als erster Vorbote ist die Double-A-Side-Single „That’s How We’re Living“/„Long Live The Loser“ bereits erschienen, zu der es obendrein verschiedene Remixes gibt – angefertigt von den House-Größen X-Press 2 und Mike Dunn. Live wird Jeb Loy Nichols sein neues Material im Frühjahr 2017 präsentieren, wenn er im Rahmen seiner großen Europatour auch für einige Shows nach Deutschland kommt.

Gebürtig aus Missouri, hat Jeb Loy Nichols u.a. lange Zeit in Texas, in New York City und auch in London gelebt. Seine faszinierende Lebensgeschichte erinnert ein wenig an den Film „Zelig“ von Woody Allen: Es sind unzählige Begegnungen, Episoden, Erlebnisse und Erfahrungen, die nun das Fundament seiner extrem persönlichen Songs ausmachen. Dieser Mann hat die Sex Pistols live in Texas gesehen, hat in der Paradise Garage Jahre später zu Larry Levan getanzt, und er war auch vor Ort, als Bambaataa eine Straßenecke der Bronx in eine Blockparty verwandelte...

In New York City arbeitete er u.a. bei Record City, wo er obskure James-Brown-Singlepressungen an den Hip-Hop-Producer Prince Paul verkaufte; für Brian Eno und David Byrne sollte es Vinyl von Fela Kuti als Inspiration sein – und zwar direkt bevor die beiden das „Remain In Light“-Album aufnahmen. In London teilte er sich dann ein Haus mit Ari Up (von The Slits) und Neneh Cherry; dazu freundete er sich dort mit Adrian Sherwood an, während im Hintergrund die Riddims von Jah Shakas Sound System dröhnten...

Die schon in dieser kurzen Auflistung durchschimmernde Vielfalt und Offenheit, dieses Zusammendenken von Genres, hat Jeb viel Respekt bei diversen Musikgrößen und Kennern beschert – ihn aber zugleich in eine undefinierte Grauzone abseits der gängigen Schubladen bugsiert, die im Bereich der populären Musik ja leider so häufig verwendet werden. Ihm war’s egal, und er hat einfach immer weitergemacht: Sein eigenes Feld beackert, einen stilsicheren Weg um den Mainstream herum gewählt, was natürlich auch holprige Wegabschnitte mit sich brachte...

Dabei hat man seine Musik vielleicht doch schon gehört: Zum Beispiel auf dem für einen Oscar nominierten Soundtrack zu Gus Van Sants „Good Will Hunting“. Zu jener Zeit, in den Neunzigern, hatte Jeb einen Deal mit Capitol Records, nachdem ihn Gary Gersch unter Vertrag genommen hatte – der Mann also, der auch Nirvana und Guns N Roses zum Label geholt hatte. Berüchtigt für seine Abneigung gegen das Leben auf Tour, platzte dieser Vertrag jedoch schon nach kurzer Zeit (denn die Verantwortlichen von Capitol waren der Meinung, man könne in den USA nur erfolgreich sein, wenn man pausenlos auf Tour ist).

An seine früheren Erfolge – so z.B. „Album des Monats“ für Rough Trade mit „Jeb Loy Nichols Special“, Live-Verpflichtungen mit Lucinda Williams und Lambchop sowie natürlich seine gefeierten „Country Got Soul“-Compilations – knüpfte er dann zu Beginn des Jahres mit dem Mini-Album „Ya Smell Me“ an (wie auch mit der Neuauflage des Reggae-Hits „Long Time Traveller“, die bei On-U Sound erschien), das von etlichen Kritikern gefeiert wurde.

Der Reifeprozess, der diesem neuen Album zugrunde liegt, war gewiss ungewöhnlich lang, zum Teil wurde er sogar unterbrochen, weil sich Jeb anderen Dingen wie dem Schreiben und der Kunst widmen wollte – aber gerade deshalb markiert „The Country Hustle“ den Beginn einer ganz neuen Schaffensphase: Jeb Loy Nichols klang nie so fokussiert und ambitioniert wie hier.

Frühere Platten der Woche