Das Leben ist zu kurz
für eintönige Musik.

Platte der Woche

Coverbild: 
KW45 06.11. - 12.11.2017

Love Everything

Artist: 
Mariam The Believer
Erschienen: 
19.10.2017
Label: 
Repeat Until Death / Cargo

Als sich Mariam The Believer – in ihrem Ausweis steht Mariam Wallentin – daran machte, ihr zweites Soloalbum „Love Everything“ aufzunehmen, hatte sie dafür ein klares, recht simples Credo im Hinterkopf: Sie wollte zur Essenz, zum Kern der Musik vordringen, die ihr immanente Kraft herausarbeiten, dafür Menschen zusammenbringen, Teile zu einem größeren Ganzen zusammenfügen und so insgesamt etwas Ermutigendes erschaffen. Von ihr komplett selbst geschrieben und produziert, erscheint der Nachfolger zum 2013 veröffentlichten Solo-Debütalbum „Blood Donation“ am 20. Oktober 2017 auf ihrem eigenen Label Repeat Until Death via Cargo in Deutschland.

Neben ihren Soloveröffentlichungen als Mariam The Believer, ist Mariam Wallentin auch eine Hälfte des Gesangs-und-Percussion-Duos Wildbirds & Peacedrums, zu dem auch ihr Ehemann Andreas Werliin gehört. Darüber hinaus ist sie Gründungsmitglied und Songschreiberin jenes kollektiven Big Band-Wahnsinns, der auf den Namen Fire! Orchestra hört. Weil ihre musikalischen Wurzeln genauso im Bereich der Improvisation liegen wie im Pop oder auch im Soul, hat Wallentin im Verlauf ihrer Karriere wirklich unzählige Genres und Klangregionen erforscht: Chorkompositionen und Drum-Circles, Free-Jazz-Konstellationen oder auch eine Hauptrolle in einer modernen Oper von Ben Frost sind nur ausgewählte Stationen dieser Entwicklung. Bekannt für ihre stets kompromisslose Herangehensweise, startete sie ihr Mariam The Believer-Projekt, um verstärkt in Richtung Pop aufzubrechen.

Auf „Love Everything“ bekommt Wallentin Unterstützung von etlichen Musikern aus ganz unterschiedlichen Ecken: Insgesamt waren 15 Musiker an der Entstehung dieser Songs beteiligt, die sich mit jedem Gastbeitrag organisch weiterentwickeln, winden und wandeln. Von einer Gesangsvirtuosin wie Sofia Jernberg über Oren Ambarchi, der für seine Noise- und Drone-Experimente bekannt ist, bis hin zum schwedischen Free-Jazz-Star Mats Gustavsson reicht diese Liste: Eine extrem bunte, eklektische Truppe unterstützte sie, und doch ist „Love Everything“, zumindest im Kern, letztlich eine Sammlung von astreinen Popsongs.

Zugleich manifestiert sich in diesen neuen Songs immer wieder der Albumtitel selbst: „Love Everything“ – ein Aufruf, Gelegenheiten beim Schopfe zu packen und die Liebe als konkrete Lösung zu betrachten. Inhaltlich befasst sich Wallentin mit den großen Fragen: es geht um Liebe und Verlust, um das Wechselspiel aus Ewigkeit und Leere, das hinter unserer körperlichen oder allein den Umständen geschuldeten Situation aufblitzt, in die wir geboren werden und der wir oftmals nur schwerlich entfliehen können. „Love Everything“ proklamiert nun die Liebe als Ausweg: sie kann helfen und heilen. Es geht um eine Entscheidung, die wir in jedem Moment aufs Neue treffen, jeden Tag und in jeder Sekunde – und diese Entscheidung hat auch etwas Mutiges.

Normalerweise sind es ja Percussion-Rhythmen und Schlagzeuge, die Wallentins Stimme einrahmen und vorantreiben, aber auf „Love Everything“ geben ganz klar die Melodien den Ton an: Das Klavier ist es dieses Mal, das ihre kraftvolle, bisweilen schon etwas krude, ehrliche Stimme mit seinen Harmonien umspült. Die Songs selbst sind gut abgehangen, durch und durch reif: Man sollte sie sofort verzehren, bevor sie sich weiterwandeln und neue Strukturen, neue, unerwartete Formen von Schwere und Süße annehmen. Druckvolle Balladen werden durchkreuzt von Rhythmuswechseln, zauberhafte Gesänge fließen über in pulsierenden R&B-Sound, und hinter jeder Ecke wartet etwas Neues, eine neue Möglichkeit...

Insgesamt bezieht sich „Love Everything“ auf all die vielen, vielen überlieferten Liebesgeschichten, die jeden von uns in irgendeiner Form geprägt haben. In Walletins Texten wird das Herz zu einem Muskel, der wirklich das Blut antreibt. Und indem sie sich spirituellen Dingen nähert, die im menschlichen Körper und in der Natur verwurzelt sind, überführt sie Esoterisches in einen ganz neuen, konkreten Rahmen und – ja: für diese Kraft ist Popmusik bekannt – erhebt sich damit für einen Moment über den Alltag. Liebe ist letztlich nur dort zu finden, wo es auch Mut gibt, wo sich jemand überhaupt traut zu lieben.

Über das in Eigenregie produzierte neue Album, das im Oktober bei Repeat Until Death erscheint, sagt die Künstlerin: „Die Musik ist ein heiliger Ort, an dem alle Dimensionen von mir gleichzeitig existieren können. Ich spüre diesen immensen Drang, nicht auf etwas reduziert zu werden. Denn stattdessen ich will wirklich ganz frei sein.“ (Quelle: Beats International)

Live:
02.12.17 Haldern, Haldern Pop Bar
03.12.17 Offenbach, Hafen 2
04.12.17 Berlin, Privatclub
05.12.17 Dresden, Altes Wettbüro
06.12.17 Hamburg, Aalhaus

Frühere Platten der Woche