Das Leben ist zu kurz
für eintönige Musik.

Platte der Woche

Coverbild: 
KW 10 04.03. - 10.03.19

Psychogeology

Artist: 
Gemma Ray
Erschienen: 
15.02.2019
Label: 
Bronzerat Records

Das englische Wort „rock“ hat viele Bedeutungen, doch für GEMMA RAY ist die wichtigste wohl eine andere als für die meisten Musiker. Die in Berlin lebende Sängerin und Songwriterin aus Essex hält an der grundlegendsten Wortbedeutung fest, die da wäre: Fels, Gestein. In Rays Welt beschwört das Wort „rock“ also Bilder von den gewaltigen Formationen herauf, die sie auf ihren Reisen um die Welt gesehen hat. Während andere in den letzten Jahren dazu beigetragen haben, den Begriff „Psychogeographie“ populär zu machen – ein Flaneur-artiger Drang, die städtische Umgebung und ihre Auswirkungen zu erforschen, bewusst und unbewusst – ist Ray von diesen der Zeit trotzenden und die Zeit definierenden Felsen fasziniert, die jenseits unserer Städte existieren.

Die komplizierten Arrangements und Strukturen auf dem Album, inklusive Chor- und Streicherarrangements, sind das Ergebnis von fast einem Jahr entschlossener Arbeit, in den raren und kurzen Pausen. Das Album, sagt Ray, „ist eine Ode an die Majestät der Landschaft, an das Ausmaß der Natur und der Zeit, und an die unausweichliche Gewissheit, dass jedes menschliche Leben eines Tages einen winzigen Teil weiterer Landschaften bilden wird.“ Am besten zum Ausdruck bringt das der Song „In Colour“, der persönlichste Song auf ihrem ersten, komplett autobiografischen Album. Ray schrieb ihn als Abschiedsbrief an ihre im Sterben liegende Großmutter.

Das Stück ist beispielhaft für dieses selbstproduzierte, tiefempfundene achte Album. Aufgenommen hat Ray es teilweise in ihrem eigenen Studio an der Spree, vor allem aber mit Ingo Krauss in den Candy Bomber Studios, die sich im ehemaligen Tempelhofer Flughafen befinden. Diese historischen Gebäude wurden Zeuge, wie Ray aus dem Schatten ihrer Einflüsse hervortrat, um ihr eigenes einzigartiges musikalisches Territorium abzustecken. Ihre Stimme ist nach wie vor erhebend, trotz ihres schwermütigen Tenors – eingebettet in den zeitlosen Glamour ihrer Tremolo-Gitarre, die sie manchmal mit einem glänzenden Stahlmesser spielt. Trotz allem ist Ray stets schwer beschäftigt und hat immer wieder mit anderen namenhaften Künstlern kollaboriert: Unter anderem hat sie mit Sparks (die Rays Coverversion ihres eigenen Songs produziert haben), Alan Vega von Suicide (die Zusammenarbeit sollte eine seiner letzten Aufnahmen sein), Howe Gelb (Giant Sand, Thomas Wydler (The Bad Seeds)) und der Arrangeurin Fiona Brice gearbeitet. Zudem wurde sie eingeladen, mit dem legendären Filmorchester Babelsberg aufzutreten. Im Dezember wird sie sich erneut mit ihnen die Bühne teilen, dieses Mal an der Seite von Peaches, Jochen Arbeit von den Einstürzenden Neubauten und anderen Gästen, und zwar im Rahmen des Can Projekts. PSYCHOGEOLOGY hingegen dokumentiert Rays Probleme – und drückt gleichzeitig mit viel Eifer aus, wie sie diese überwunden hat, um ihren Platz in der Welt zu finden.

Tracklist: 
1Blossom Crawls
2Death Tapes
3It's Only Loneliness
4In Colour
5Dreaming Is Easy
6Psychogeology
7Flood Plains
8Land Of Make Believe
9Roll On River
10Summer Comes

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