Das Leben ist zu kurz
für eintönige Musik.

Platte der Woche

Coverbild: 
KW19 07.05.-13.05.2018

Rejuvenate

Artist: 
Paul White
Erschienen: 
26.04.2018
Label: 
R&S Records

Das englische Verb „to rejuvenate“ bedeutet so viel wie „(sich) verjüngen“, „regenerieren“ – und so steht der Titel des kommenden Rejuvenate-Albums von Paul White für eine Art Wiedergeburt, einen Neustart: Zum ersten Mal überhaupt hat der Produzent und Multiinstrumentalist aus dem Süden von London einen großen Bogen um Sampling & Co. gemacht und stattdessen sämtliche Songs von Rejuvenate selbst komponiert, eingespielt und produziert. Das Resultat ist ein verspielter, psychedelischer Popsound, der gleichwohl seine Handschrift trägt. Sicherlich hätte White, der wiederholt als „DJ Shadow des 21. Jahrhunderts“ bezeichnet und mit Madlib verglichen wurde und auf dessen Produktionen ein Danny Brown bekanntermaßen schon häufiger gesetzt hat, auch den Weg des geringsten Widerstands gehen und ein Album mit den neuesten Loops, den neuesten Beats abliefern können. Stattdessen schlug er jedoch eine ganz neue Richtung ein: White arbeitete an seinem Können als Songwriter, an seinen Skills als Musiker, arbeitete mit diversen Instrumenten – und schuf so ein Album, das einen ganz eigenen Sound hat, und sich letztlich eher zwischen jenen Werken einreihen lässt, die er sonst als Samplequelle ausschlachten würde.

Zu den vielen Genres und Styles, die im Verlauf von Rejuvenate aufflackern, zählen u.a. Cosmic Rock, Ambient, Electronica, Jazz, Folk... dabei gibt es ganz klar rote Fäden: Psychedelisches und massive Grooves bilden durchweg das Fundament, während White darüber die verschiedenen Elemente ineinander verschränkt und zum schlüssigsten Werk seiner Karriere verbindet. Unterstützung bekommt Paul White im Verlauf seiner klanglichen Verjüngungskur von gleich drei Gleichgesinnten: die britisch-jamaikanische Sängerin Denai Moore steuert ihre glasklare Gesangsstimme zu den treffend betitelten Stücken „Set The Tone“ und „See Through“ bei, während die Musikerin und Dichterin Shungudzo (auch bekannt als Shun) aus Simbabwe ein paar Lebensweisheiten auf dem Vorboten „Spare Gold“ zum Besten gibt, um auch die dahinschmelzenden Vocals zu „Ice Cream Man“ beizusteuern. Auch Whites Schwester Sarah Williams White war erneut mit ihm im Studio: Auf „Laugh With Me“ und „All Around“ greifen die Geschwister zurück auf Erinnerungen aus Kindheitstagen.

Neben den Instrumental-Soloalben, die Paul White seit 2009 veröffentlicht hat, finden sich in seiner Diskografie auch Kollaborationen mit Charli XCX, Jehst, Homeboy Sandman, Guilty Simpson, Jamie Woon, Obongjayar, Eric Biddines (als Golden Rules) und Open Mike Eagle.
Auch mit Danny Brown arbeitete White vor gar nicht langer Zeit abermals zusammen, als er einen Großteil der Produktionen für das aktuelle Atrocity Exhibition-Album (via Warp Records) des Rap-Neudenkers aus Detroit beisteuerte. Für das Video zur ersten Single „Spare Gold“ setzte Paul White auf den Regisseur Ruff Mercy aus Bristol: „Wir beide sind schon länger Fans vom Outputs des anderen, und für das Video zu ‘Spare Gold’ wollten wir nun Bilder zeigen, die zunächst eine negative, eine unterdrückte Seite zeigen – und dann Bilder, die eine bessere, freiere Seite zeigen: Das Video beginnt also düsterer, es geht um Stress, Ablenkungen, um Distanziertheit, was auch die Themen sind, denen Shun sich im Text widmet, und dann ändern sich die Bilder im Verlauf des Tracks:
Passend zu Shuns Story zeigen sie schließlich eher Ansätze von Glück, die Möglichkeit, seinenFrieden mit etwas zu machen und sich dadurch verjüngt zu fühlen. Ganz am Schluss gelangt man zur Einsicht, dass alles besser, glücklicher, heller und lebendiger ist – voller Energie, Spaß und Lebensfreude.“

Auch die Zusammenarbeit mit Gastsängerin Shungudzo kommentiert Paul White: „Ich weiß noch genau, wie wir gerade erst damit anfingen, dieses Stück zu schreiben, und Shun hatte gerade eine Mail von ihrer Versicherung in den Staaten bekommen, in der ihr eine
Beitragserhöhung angekündigt wurde. Das war der Startschuss für eine längere Auseinandersetzung mit derartigen Themen: Ich war zum Beispiel wenig später in Tilburg in Holland, wo das Gespräch irgendwann darauf kam, wie günstig das Leben in Tilburg, verglichen mit London, doch ist – und mein Gegenüber mich dann fragte: ‘und wie kannst du da überhaupt etwas ansparen?’ Ich lachte nur und erklärte ihm, dass keiner etwas anspart in London. Daher kommen die Zeilen ‘can’t afford a doctor’ und ‘what the hell is savings’, und dann dachten wir über all die Dinge nach, die einen davon abhalten, das Leben wie ein Kind zu betrachten – und daraus wurde dann ‘Spare Gold’. Der Song verweist auf all die Dinge, die einen davon abhalten können, diese Verjüngung, diese rejuvenation zu spüren: Es sind die Dinge, die einen unterdrücken... bis man zu der Einsicht gelangt, dass diese Art von Leben nicht die einzige ist, die es gibt .“

„Die Arbeit mit Paul war auch dieses Mal etwas ganz Besonderes für mich“, sagte Ruff Mercy über die Entstehung des Videos zu „Spare Gold“. „Ich bin nun mal ein absoluter Fan seiner Musik, seiner Furchtlosigkeit, als Musiker einen ganz eigenen Weg zu gehen. In der zweiten Hälfte habe ich sehr viel mit Farbe gearbeitet, und gerade diese Farbexplosion passt einfach perfekt zu Pauls Musik, finde ich, wie auch zu seiner ansteckenden, immer positiven Art.“

Tracklist:
01. A Chance
02. Set the Tone (ft. Denai Moore)
03. See Through (ft. Denai Moore)
04. Returning
05. Spare Gold (ft. Shungudzo)
06. Ice Cream Man (ft. Shungudzo)
07. Waves
08. Rejuvenate
09. Soul Reunion
10. Laugh with me (ft. Sara Williams White)
11. All Around (ft. Sara Williams White)

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